Sonntag, 14. Februar 2010

Sind wir reif für neue Radiowerbung?

Der Umzug ist glücklich erledigt, das Internet ist auch wieder repariert und nun steht dem wilden Veröffentlichen nichts mehr im Wege.

Werbung wurde hier in der Beschreibung erwähnt, nicht etwa weil ich gerne würbe, sondern weil Werbung etwas ist, das ich nicht meiden kann. Man kann ihr nicht aus dem Weg gehen, nicht wirklich wegsehen und noch viel weniger weghören. Ich wünschte mir manchmal, ich hätte zuklappbare Ohren, die mir hülfen, der Radiowerbung zu entgehen. So müsste ich eigentlich eilends zum Radio sprinten, es während der Werbung leiser drehen und dann wieder lauter machen, sobald die Gefahr vorüber ist. Das schaffe ich natürlich nicht oder wenn ich es schaffe, dann stelle ich es zu spät oder zu früh wieder laut. Bei zu spät sind die Nachrichten vorbei und zu früh macht die gesamte Übung vergeblich. So kommt es, dass ich dann tatsächlich Radiowerbung höre und darauf verzichte, alle 25 Minuten zwischen meinen Radios hin und her zu sprinten. Aus Rache für diese eigentlich unzumutbare Belästigung durch die Koksnasen, merke ich mir dafür bestimmte Werbeteile besonders um dann später auf keinen Fall das beworbene Produkt zu kaufen, zu benutzen, zu besuchen oder sonstwie damit zu tun zu bekommen.

Die letzte Werbung, die mir auf diese Weise im Gedächtnis blieb, war eine Werbung für "Welt kompakt". Eine Frauenstimme, etwas piepsig und leicht heiser, wie aus einem Bohlen-Casting, erzählt in einem betroffenen Tonfall irgendwelche vermeintlichen Wahrheiten. Der Tonfall soll wahrscheinlich Bedeutungsschwere suggerieren. Diese Suggestion ist nötig, denn die gesprochenen Texte selber ergeben nicht viel Sinn für die Allgemeinheit. Da wird z.B. behauptet, "wir" hätten so viele Freunde online, dass "wir" ein neues Wort für die "richtigen" bräuchten. Soweit ich das in meinem Umfeld beobachten kann, fällt von meinen Bekannten niemand unter dieses "wir". Mit "wir" können die Marketing-Koksnasen eigentlich nur sich selbst meinen. Dafür spricht auch ein anderer Text, in dem sie behaupten, "wir" - also eigentlich sie - telefonierten mit unseren - also dann ihren - Müttern und checkten dabei gleichzeitig E-Mails. Das mag zwar ein wenig unhöflich sein, wenn sie es denn tun, aber es rechtfertigt meiner Meinung nach auf keinen Fall den anklagenden Tonfall des Vortrags. Ebenfalls völlig neben dem Thema angeklagt wird die vermeintliche Verfehlung, dass "wir" unsere Lieblinge bei Facebook anmeldeten. Das habe ich zwar nur als Fußabtreter in der U-Bahn gesehen, hätte gesprochen aber mit Sicherheit auch diesen weinerlichen Tonfall. Da stellt sich mir die Frage, wer macht so etwas? Ich nicht und keiner der Menschen, die ich näher kenne. Wozu auch, die Viecher würden sich beim Einloggen ja doch immer nur vertippen.

Wer hält solche Dinge für so verwerflich, dass ihm dazu nur eine Lösung einfällt? Die Lösung ergibt sich aus dem weiteren Text der Werbung. Zuerst fragt die weinerliche Frauenstimme noch, ob "wir" - also wieder eigentlich sie - reif für eine neue Zeitung seien, dann erklingt wie aus dem Off eine markante, recht tiefe Stimme mit dem Duktus eines Predigers, die den Satz äußert: "Welt kompakt! Kurz, anders, gedruckt!" Das einzige, das Springer-Presse und Internet gemeinsam haben, ist ja, dass die Springer-Presse das Internet verbieten lassen will, weil das in seiner Gratis-Kultur immer bei der Springer-Presse klaute. Deswegen is z.B. die Seite des hamburger Abendblattes mittlerweile für normale Internetnutzer mit Gratis-Klau-Drang kostenpflichtig, für den Googlebot hingegen kostenlos einsehbar. Aber ansonsten? Was haben weinerlich vorgetragene Phrasen über das Internet mit einer schlechten Zeitung zu tun? Und warum müssen sich die Koksnasen daran erinnern, dass eine Zeitung gedruckt ist? Sie versprechen immerhin, die Zeitung sei kurz, aber ich schätze für mich wäre sie immer noch viel zu lang. Da lese ich lieber Bölls "Verlorene Ehre der Katharina Blum".

Wie üblich machen die Koksnasen mit dieser Kampagne nicht wirklich Werbung für eine Zeitung, sondern reden mehr von sich selbst. Sie verachten ihre Mütter, können nicht mit ihren Haustieren umgehen, wissen nicht mehr, was Freunde sind und fühlen sich offenbar völlig von der Moderne überfordert. Diese Dämonisierung von Mails und Internet passt dann aber nicht recht dazu, dass sie sich besonders hervorheben müssen, eine Zeitung sei gedruckt. Oder zumindest diese Zeitung sei gedruckt. Wahrscheinlich lesen sie selbst nur noch ihre I-Phone-Äpps, sodass etwas gedrucktes für sie ein echtes Alleinstellungsmerkmal ist. Leider kann ich dieses Produkt nicht weiter boykottieren, weniger als nie Springer-Presse zu lesen ist nicht möglich.

Die Welt ist größer als das und man kann in ihr prima Fisch einwickeln.

PS: Ach ja, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: "Wir" - also eigentlich sie - sind definitiv reif für neue Radiowerbung. Als Strafe, 24 Stunden am Tag, festgekettet an ihren Stühlen, ohne zuklappbare Ohren.
 

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