Samstag, 6. November 2010

Rainald Grebe wunderbar!

Rainald Grebe ist wieder unterwegs, diesmal mit großem Orchester, mit dem weltberühmten Orchester der Versöhnung. Grebes Kapelle von früher, die ihm so gute Dienste geleistet hatte bei dem Programm "1968", bei "Volksmusik" und vielen anderen, ist gewachsen. Sie wurde erweitert um einen Bassisten, einen Orgelspieler, einen DJ und ein Streichquartett. Der Bassist kann auch Alphorn und Tuba. Aber ansonsten hat sich nicht viel geändert.

Grebe macht die üblichen Mätzchen, wozu er sich manchmal Musiker seines Ensembles ausguckt.
Wussten Sie eigentlich, meine Damen und Herren, dass Bassisten keine hohen Töne vertragen? IIIIIIIIIIII ....
Oder der hier:
Ich bitte um einen leisen Applaus für Helmut. Er ist nämlich sehr schreckhaft.

Auch die Stücke sind nicht schlecht. "Oben" hat mir beispielsweise sehr gut gefallen. Dabei rollt Grebe unaufhörlich mit seinem Klavier-Bürostuhl über die Bühne. Sehr beeindruckend! Grebe beteiligt sein Publikum, was einen angemessen demokratischen Eindruck macht, z.B. beim Handtaschentanz:



Aber er übertreibt es mit der Demokratie schon fast, ständig stellt er seine Musiker vor, so als müsse er sich unaufhörlich ihrer Anwesenheit vergewissern.

Einige der Stücke sind etwas schwierig. Wenn man z.B. den Stadtteil Prenzlauer Berg in Berlin nicht kennt - und wieso sollte man den kennen? - dann ist das Lied "Prenzlauer Berg" ziemlich sinnlos. Ungefähr so sinnvoll, wie ein Spottlied über Vauban, das man in Dresden Neustadt vorträgt. In diesem Sinne hat Grebe schon eine deutliche berliner lokalpatriotische Note - praktisch berliner Provinz.

Meine liebsten neuen Neologismen vom Grebe sind:
Bionade-Biedermaier
und
Bärlauch, Bärlauch, ein zwei drei vier

Es gibt auch philosophische Betrachtungen zum Angeln, hier bei der öffentlichen Probe:


Kurz: Es war absolut großartig. Nachdem meine letzten beiden Versuche, ein Konzert mit Rainald Grebe zu besuchen, ins Wasser fielen, weil der Mensch ständig krank war* oder ihm seine Stimmbänder weggequarzt worden waren, war diese Aufführung wirklich hervorragend. Es war eine schöne Stimmung, die Musiker konnten gut singen und spielen und es wurde ein gelungener Abend.

Wer in Veranstaltungen gehen mag, die wie Media-Markt-Werbung klingen, wem überzogen karikierte Karikaturen ostberliner Plattenbauprekarier nicht zu viel sind, der sollte dieses Konzert tunlichst meiden, es dürfte ihn oder auch sie völlig überfordern.

Für alle anderen Menschen dürfte Rainald Grabe und das Orchester der Versöhnung eine umwerfende Horizonterweiterung sein, absurd, lustig und begeisternd.

Gehnse rein, ham se was zu lachen. Rainald Grebe wunderlich.



*) Da muss ich übrigens mal was erzählen. Ein Konzert im Tipi in Berlin. Von Rainald Grebe und der Kapelle der Versöhnung. Es ist Einlass, die Leute werden in das Zelt gequetscht. Kellner laufen herum und belästigen die Gäste so lange, bis auch wirklich jeder eines der völlig überteuerten Getränke bestellt hat und vielleicht auch noch ein kleines 6-Gänge-Menü. Und als das Programm dann beginnen soll, stellt der Veranstalter eine blöde Tussi auf die Bühne, die verkündet, der Künstler sei krank geworden, sie hätten bis zur letzten Sekunde gehofft, er genese spontan noch, hätten sich dabei aber verschätzt und müssten nun deshalb das Konzert absagen. Kommse gut nach hause. Was für hinterhältige Geldschneider! Sehen, dass ihr Künstler krank ist, lassen dann extra erst alle Gäste rein, damit sie die Hälfte ihres normalen Umsatzes trotzdem aus ihnen rauspressen können, um sie dann mit schalem Bier und ohne Konzert hämisch sitzen zu lassen. Die Konsequenz: NIE WIEDER INS TIPI IN BERLIN! Also ehrlich ...

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